Jestrum Piercing: Eskimorolle rückwärts
Neue Stellen für Körperschmuck im Piercing-Style zu finden ist gar nicht so einfach. Viele außergewöhnlich platzierte Stichkanäle oder Schmuckstücke haben sich inzwischen zum Standard entwickelt und ihre einst exklusive Wirkung verloren. Das Jestrum-Piercing bildet in dieser Hinsicht (noch) eine Ausnahme, denn es ist verhältnismäßig neu – und daher von großem Reiz für Individualist/-innen.
Überblick
- Name: Jestrum Piercing
- Wo wird es gestochen: durch das Philtrum und das Rot der Oberlippe
- Kosten Piercing: 40 – 80 EUR
- Art: Mundpiercing
- Heilungsdauer: 2-6 Monate
- Schmerzen beim Stechen: schwer
Ein Piercing voller Besonderheiten
Salopp gesagt ist das Jestrum-Piercing die Kopfunter-Variante des Eskimo Piercings. Während dieses von unten durch die Labium inferius führt, verläuft der Stichkanal des Jestrum-Piercings von oben durch die Labium superius. In beiden Fällen liegt ein Ende des bevorzugten Schmuck-Steckers auf dem sogenannten Lippenrot auf – den Flächen, die den äußeren Mund bilden.
Das sieht zweifellos sehr attraktiv aus. Doch im Gegensatz zum Easy-Going des Eskimo-Piercings ist das erstmalige Setzen eines Jestrum-Piercings äußerst schmerzhaft. Der Grund dafür ist seine exponierte Lage im Gesicht. Dort, wo der/die Body-Artist das „Stechwerkzeug“ ansetzt, läuft eine Vielzahl von Nerven zusammen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes:
Platzierung an rätselhafter Stelle
Der Piercing-Stift tritt am Philtrum in das Körpergewebe ein. Die kleine Rinne zwischen Crus mediale und Kupid-/Amorbogen wird im Volksmund auch „Rotzleitung“ genannt. Anatomisch gesehen hat sie jedoch einen ganz anderen Zweck – oder besser gesagt: überhaupt keinen. Das Philtrum ist ein Überbleibsel aus der Embryonalzeit, in der sich das Gesicht von den Kopfseiten aus entwickelt und in der Mitte zusammenwächst.
Damit einher geht die Bündelung von Nerven, die die „Rotzrinne“ hochempfindlich machen. Ihr wissenschaftlicher Name bedeutet so viel wie „Liebeszauber“ – denn das Philtrum ist sehr empfänglich für Sinnesreize. Sowohl angenehme als auch unangenehme Berührungen werden in diesem Bereich verstärkt wahrgenommen – und liefern die Begründung dafür, warum das Jestrum-Piercing so große Schmerzen verursacht.
Vor- und Nachteile der exponierten Lage
Sie auszuhalten hat aber auch Vorteile, denn neben seinem hohen Dekorationswert besitzt das Jestrum-Piercing einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Stichkanälen im Lippenbereich: Anders als zum Beispiel das ähnlich wirkende Medusa-Piercing endet es außerhalb der Mundhöhle – und kann daher weder Zähne noch Zahnfleisch schädigen. Der Piercing-Stift und seine beiden Enden liegen komplett im Lippengewebe bzw. auf der Haut.
Dieser Umstand bedingt eine weitere Besonderheit des Jestrum-Piercings: Es empfiehlt sich nur bei Personen mit klassisch geformtem Mund. Eine volle symmetrische Oberlippe mit ausgeprägtem Amorbogen ist unabdingbare Voraussetzung, um ein Jestrum-Piercing zu tragen. Anderenfalls wirkt das Gesicht durch den hier platzierten Schmuck schnell überladen.
Die Arbeit der Piercer/-innen
Bei der Auswahl geeigneter Stecker orientiert sich der/die Body-Artist an der individuellen Anatomie des Mundes. Sie bestimmt, welche Länge der Stift haben muss und ob es sich um einen geraden Stab oder einen leicht gebogenen Bananabell handeln sollte. Die Ein- und Austrittsstellen des oberen und des unteren Endes werden markiert, um den späteren Sitz des Jestrum-Piercings zu überprüfen.
Dann heißt es, Zähne zusammenbeißen – rein bildlich gesprochen natürlich. Auch wenn der Mund beim Stechen eines Jestrum-Piercings nicht komplett aufgesperrt werden muss, wird er durch den/die Body-Artist verformt, um die Kanüle „in einem Rutsch“ durch das Philtrum und die Oberlippe führen zu können.
Optimale Heilung durch besondere Pflege
Damit der Eingriff zum gewünschten Ergebnis führt, ist eine angemessene Pflege des Stichkanals nötig. Hierbei gelten die üblichen Hygiene-Regeln mit einer spezifischen Erweiterung für Herren. Da das Jestrum-Piercing im Bereich des Bartwuchses sitzt, ist beim Rasieren besondere Vorsicht geboten. Durch den erhabenen Schmuck besteht eine erhöhte Gefahr, dass das Rasierwerkzeug hängenbleibt. Zudem können abgetrennte Härchen oder Rückstände von Pflege-Artikeln in die Stichöffnung gelangen. Beides kann die Heilung verzögern oder sogar behindern.