Das Piercing – Von der Tradition zum Modetrend
Wer Piercing hört, hat ein ganz eigenes Bild vor Augen, oft geprägt durch die Modetrends der letzten Jahrzehnte. Sei es das Augenbrauenpiercing eines Punks, das Bauchnabelpiercing von Alicia Silverstone aus dem Musikvideo der Band Aerosmith oder viel gesehene Nasenpiercings. Doch neben allen Modetrends und persönlichem Geschmack hat das Piercing eine lange Geschichte, die weit in die Zeit vor Christi Geburt reicht und kulturell geprägt ist.
Piercing etablierte sich hier als Begriff Mitte der 1990-Jahre, obwohl die Technik des „Durchbohrens“ der Haut und des Anbringens von Schmuck schon viel länger im Trend lag. Beim Piercen werden Haut-und Körperstellen durchstochen und Körperschmuck aufgesetzt. Hierzulande waren Punks Mitte der Siebziger ein Trendsetter und durchstachen sich Ohren, Lippen, Augenbrauen oder die Wangen und setzten sich dann Ringe, Ketten oder Nadeln an die gepiercte Körperstelle. Die Geschichte des Piercings geht jedoch viel weiter und erfreut sich immer größerer Beliebtheit, inzwischen sind in Deutschland mehr als 5 Millionen Menschen gepierct.
Traditionelle Piercings haben eine lange Tradition
Bei Ureinwohnern der Kontinente Asien, Afrika und Amerika gibt es viele Überlieferungen und Hinweise für eine lange Geschichte des Piercings. So wurde im alten Ägypten etwa 1550 v. Chr. der Trend des Ohrlochstechens gesetzt. Auf den Totenmasken der ägyptischen Pharaonen sind Ohrlöcher erkennbar, wie beispielsweise beim Pharao Tutanchamun.
Auch Urvölker der anderen Kontinente zeigen Ohrlöcher, wie die Steinskulpturen der Olmeken aus Mittelamerika oder auch Buddha-Statuen aus Asien. Der Schmuck wurde damals von den Ureinwohnern aus Holz, Knochen, Ton, Perlmutt oder einfachen Metallen hergestellt.
Selbst heute gibt es in Afrika noch traditionelle Piercings, die zum Schönheitsideal gehören. In Afrika weiten bzw. dehnen die Mursi-Frauen ihre durchstochenen Ohrläppchen und Lippen mit traditionellem Schmuck. Bekannt sind die traditionellen Tellerlippen. Hierbei wird Schritt für Schritt das Piercing in der Lippe gedehnt und nach und nach ein größerer Tellerschmuck eingesetzt. Die Größe des Tellerschmucks spielt bei den Frauen eine große Rolle und verkörpert das Ansehen der Frau, je größer der Teller, desto höher ihr Ansehen.
Im hinduistischen Glauben spielt das Piercing eine wichtige Rolle, so werden bereits Kindern bei sogenannten Karnavedha-Ritual Ohrlöcher gestochen, diese sollen sie vor Krankheiten schützen.
Spirituelle Piercings verbunden mit Ritualen
In einigen Kulturen hat das Durchtossen von Körper- oder Hautstellen einen spirituellen Hintergrund und das Piercing findet oftmals in Verbindung mit einem Ritual statt.
In Thailand oder Malaysia wird bei Festen zur Götterbeschwörung durch die Teilnehmer selbst über Tage hinweg ein Trancezustand herbeigeführt, um dann mit Schwertern, Ästen oder anderen Gegenständen ihre Wangen, Zungen oder andere Stellen des Körpers zu durchstoßen und Götter zu beschwören oder Geister fern zu halten.
Auch bei Indianer-Stämmen sind Piercing-Rituale bei Zeremonien üblich. Hierbei wird den Tänzern während des Rituals an Rücken und Brust die Haut durchstochen und danach über diese Piercingstellen Schnüre gezogen und miteinander verbunden. Die Schnüre der Tänzer führen an einem Baum zusammen, an dem diese vier Tage ausharren und tanzen.
Modephänomen Piercing in der westlichen Kultur
Bis Anfang der 1970er war das Ohrlochstechen und Tragen vom Schmuck im Ohrloch den Frauen vorbehalten. Einzige Ausnahme waren Zimmermänner, die im Rahmen ihrer Ausbildung bei der sogenannten Walz mit einem Zimmermannsnagel ihr Ohr durchstachen.
Hippies brachten dann Nasen- und Ohrlochpiercings in den 1960-Jahren aus Indien in die westliche Kultur ein. Später galt lange Zeit der Ohrring im rechten Ohr als Erkennungszeichen in der Schwulenszene.
In Los Angeles eröffnete 1975 das erste Piercing-Studio, woraufhin in den 1980-Jahren das Piercing zu einem Trend wurde und sich in Kalifornien verbreitete.
Bei uns war es Anfang der 1990-Jahre die Punkszene, die für Piercings in den Augenbrauen, Ohren, Lippen oder Wangen stand. Als neuer Trend in der Jugendkultur etablierte sich das Piercing über die Punkszene und dann über die Technoszene.
Die Universität Leipzig hat 2017 eine Studie veröffentlicht, nach der rund ein Drittel der Frauen zwischen 14 und 34 Jahren gepierct waren, bei den Männern in dieser Altersgruppe waren es rund 14,4 Prozent, das Piercing hat sich somit als modisch-kulturelles Thema in der westlichen Kultur etabliert.
Wie kommt Mann oder Frau zum Piercing?
In Deutschland darf grundsätzlich jeder gepierct werden. Da das Piercen rechtlich gesehen eine Körperverletzung darstellt, muss vorab eine Einverständniserklärung unterzeichnet werden (bei Minderjährigen durch die Erziehungsberechtigten) und der Piercer hat eine Beratungspflicht.
Beim Piercing-Stechen wird zunächst die Körperstelle desinfiziert und eventuell enthaart. Danach markiert der Piercer mit einem Stift die Einstichstelle sowie die Ausgangsstelle und fixiert diese anschließend mit der Piercing-Zange. Da durch die fixierte Piercing-Zange die Piercing-Nadel geführt wird, hat die Zange an der Kopfseite jeweils zwei ringförmige Klemmen. Durch die ringförmigen Klemmen erkennt der Piercer die Markierungen des Stifts und setzt die Piercing-Nadel an, um die jeweilige Körperstelle zu durchstechen. Die Nadel hat in den meisten Fällen einen Plastik- oder Teflonüberzug, nach dem Durchstechen der Haut wird die Nadel aus dem Überzug gezogen, um danach den Schmuck durch den gesetzten Stichkanal ziehen zu können. Je nach Körperstelle wird umliegendes Gewebe mit einem Receiving Tube geschützt, der an der Austrittsstelle der Nadel gegengehalten wird.
Bei Ohrlochpiercings wird oft auch eine Ohrlochpistole benutzt, jedoch nur außerhalb von Piercing-Studios, da Piercer diese Methode ablehnen, da das Gewebe einreißen oder Knorpelstellen splittern können. Zudem sind Ohrlochpistolen nicht in Gänze zu desinfizieren.
Die dritte Methode ist der Dermal-Punch. Primär wird diese Methode genutzt, um größeren Körperschmuck in das Knorpelgewebe zu setzen. Das Gewebe wird dabei mit einer Hohlnadel bis zu einem Durchmesser von 8 Millimetern entfernt und nicht verdrängt, was bedeutet, dass der Heilungsprozess optimiert wird, da eingesetzter Schmuck schlicht und einfach weniger Druck ausübt.
Eine weitere Methode des Piercens wird in den USA genutzt, hier wird eine Piercing-Nadel mit einem Hohlraum aus angefertigtem Chirurgenstahl benutzt, durch die der Schmuck beim Piercen direkt in das Bindegewebe eingesetzt wird.
Naturvölker führen ihre Piercings mit Naturmaterialien wir Dornen, Knochen oder sogar Pflanzenenden durch.
Schmerzen die beim Piercen auftreten können
Eventuelle Schmerzen sind für viele ein wichtiges Thema beim Piercen. Der Reiz wird sehr unterschiedlich wahrgenommen und variiert je nach der Piercing-Art und der Körperstelle.
Grundsätzlich kann beim Piercen betäubt werden. Dies geschieht entweder lokal an der Piercing-Stelle, indem per Spritze ein Anästhetikum injiziert wird. Diese Form der Betäubung darf nur durch medizinisches Fachpersonal oder einen Arzt verabreicht werden.
Die zweite Möglichkeit der Betäubung ist eine Oberflächenanästhesie mittels einer Salbe oder eines Sprays, welches auf die Haut aufgetragen wird. Dabei gelangt der Wirkstoff in das Schleimhautgewebe, dringt jedoch nicht in tiefere Hautschichten und betäubt damit tatsächlich nur die Hautoberfläche.
Bei Piercings wird meistens auf eine Betäubung verzichtet.
Heilung & Heilungsdauer
Die Heilungsdauer richtet sich nach dem Piercing und der gepiercten Körperstelle sowie dem Schmuckmaterial, der Hygiene und der Pflege und variiert deshalb stark, angefangen von 1 Woche beim Ohrloch-Piercing bis hin zu 12 Monaten bei einem Christina-Piercing (in der Falte der oben zusammenlaufenden Schamlippen).
Hygiene und Sorgsamkeit sind beim Piercen und in der Pflege das A und O.